Kunst ist kein Zufall

Wenn Friederich Werthmann Dynamit zur Formung seiner Stahlskulpturen verwendet, dann entscheidet sich das Ergebnis eines Arbeitsschrittes unwiederrufbar in den Millisekunden der Explosion. Der Bildwille des Künstlers aber steuert den Prozess in seinem Sinne. Werthmann vergleicht diesen Weg zum Werk als passionierter Segler: Er weiß beim Ankerlichten, welchen Hafen er erreichen wird, allerdings ist seine Route ein Zusammenspiel mit Strömungen und Wind, was Richtungsänderungen notwendig macht, aber dazu dienen, das Ziel zu erreichen.

Ein solches Wechselspiel erfordert auch die Arbeit mit dem Dynamit, das immer ein Maß an Eigendynamik entwickelt. Diese wird akzeptiert und in den Gestaltungsprozess eingebunden. Allerdings wird der explosive Gestus weitgehend von der künstlerisches Absicht gesteuert. Der reine Zufall ist eben keine Kunst, er könnte im Fall des explodierenden Dynamits sogar lebensgefährlich sein.

Für Friederich Werthmann beginnt der plastische Prozess mit einem Konzept, mit der Absicht eine bestimmte Form zu erreichen. Das beginnt mit dem Werkstoff Stahl, das vorbereitet wird in Form z.B. von Quadern, Säulen, Stelen, Röhren - oder es sind Stahlplatten oder -scheiben, die nach der "Dynamiserung" weiter ausgestaltet werden. Das vorbereitete Material wird an den Sprengplatz - meist eine sichere Sandgrube - transportiert und dort für die Sprengung vorbereitet. Hierbei helfen erfahrene Sprengmeister. Entsprechend den Gestaltungsabsichten des Künstlers wird der Sprengstoff dosiert und platziert, hier wird wird im Vorfeld der Prozess gesteuert, das gewünschte Ergebnis vorbereitet. Mit der Zeit wachsen die Erfahrungen des Künstlers und das Dynamit kann immer zielgerichteter und präziser eingesetzt werden.

Die Sprengsätze können mit konvexer und konkaver Wirkung gesetzt werden. Werthmann verwendet auch mit Nitro-Penta in Pulverform gefüllte ca. 1,5 cm starke Schläuche, die linienförmige Sprengungen ermöglichen. Deren Sprengkraft mit einer Geschwindigkeit von 7.000 Meterm in der Sekunde ist besonders stark und erfordert entsprechende Vorsicht bei der Arbeit. Mit sol chen Sprengschläuchen wurden u.a. die Dyna-Pakete und die 161 Reliefs der "Schlangenspur".

Wie präzise mit dem Sprengstoff und seiner Eigendynamik gearbeitet werden kann beweist Werthmann in seinen dynamisierten Formfindungen, als Beispieln kann hier die "Dyna-Vinci" von 1981 genannt werden. Manche Arbeiten sind von einer fast textilen Weichheit, andere mit gewaltiger Kraft aufgerissen, z.B. die "Dyna-Conca II" von 1989.

Textauszug aus "Friederich Werthmann. Stahl. Poesie. Dynamik"
Fotos: Maren Heyne