DAS FENSTER,

das als Auge des Hauses Innen und Aussen verbindet, gewährt Luft und Licht Einlass und dem Menschen Ausblick. Es ist vergleichbar mit dem eigenen Auge, das die Wahrnehmung der Wirklichkeit mit der eigenen inneren Befindlichkeit verbindet.

Maren Heyne hält solche Art von Augen-Blicken im Licht-Bild fest, überlässt sie jedoch nicht dem Zufall. Das Objekt, dessen Ausdruckskraft von Licht und Schatten, Distanz und Nähe und von der eigenen Stimmung abhängt, wird in langer Vorarbeit beobachtet, bevor die Entscheidung zum Licht-Bild fällt. Der Gang durch die Ausstellung gleicht deshalb einer Entdeckungsreise imaginärer Orte. Wir richten uns in ihnen, anhand von wenigen Indizien wie Beschaffenheit des Fensterrahmens, Gardinen, Spinngewebe, Licht- und Schattenspielen, mit unseren eigenen Träumen ein. Der Augenblick des Bildes wird dabei zum Zeitraum, in dem wir uns mühelos bewegen und dabei die Fenstergeschichte zur unendlichen Geschichte gestalten.

Ein Fensterkuriosum, das sie im Tessin und Norditalien aufgespürt hat, ist das auf die Fassade gemalte ?trompe l’oeil?, la finta finestra. Das unverrückbare Trugbild erscheint so wirklich, daß es von anderen Fenstern beim ersten Blick oft kaum zu unterscheiden ist. Maren Heyne geht indes mit ihren eigenen "trompes l’oeil" noch einen Schritt weiter.

Als vorläufig letzte Konsequenz in ihrer Fensterge-schichte, erfand sie das Fensterobjekt. Sie löst dabei die Fensterrahmen, die sie in Abbruchhäusern und auf Schutthalden findet, aus ihrer ursprünglichen Bestimmung heraus, gibt ihnen ein anderes, oft surrealistisches Umfeld und bestimmt den Ausdruck mit dem Hinterlegen anderer Landschaften und Stimmungsbildern neu. Die Komposition hält sie als Bild fest. Mit dieser totalen Verfremdung der Wirklichkeit gelingt der magische Sprung in die Traumwelt ihrer eigenen und unserer Sehnsüchte.

Tina Stolz