Informel
Das Werk Friederich Werthmanns kann mit dem Begriff des Informel in Zusammenhang gebracht werden - allerdings nur im Ergebnis, nicht im Prozess der plastischen Arbeit. In der Malerei des Informel geht es um die gestische Auflösung der Form. Spontan gewollt findet sich das Bild nicht in reinem Zufall, sondern in einem konzentrierten malerischen Akt. Ein so angelegter Prozess ist in der Skulptur, in der Arbeit mit festen Materalien in diesem Sinne nicht möglich. Dennoch begibt sich Friederich Werthmann auf genau diesen Weg: die Auflösung der Form in leichter Bewegtheit. Für einen Stahl- Bildhauer ist das ein Paradoxon das Friederich Werthmann löst.
Werthmanns frühe Skulpturen sind kleinteilig, sie bestehen aus hunderten oder tausenden Stangen, Schnipseln aus Stahl, die wie in einem dreidimensionalen Gewirr z.B. zu einem Schwarm zusammengefügt werden oder sie wirken wie hingeworfene Metallteile, die sich im freien Flug zur Form vereinigen: der Wurf hält inne und wird zur Skulptur (Abb. rechts).
Die Arbeit mit stabilem Material wie Stein oder Stahl setzt eine gewisse Planung voraus, sie braucht ein klares Konzept. Der Entstehungsprozess der informellen Skulpturen Werthmanns ist gegengesetzt zur Wirkung, vorstellbar etwa als eine Art Zeitlupe rückwärts. Die Arbeit folgt ganz bewussten und rein technisch notwendigen Schritten.
"Das Detail verhält sich zur Struktur so, wie das Kleine zum Grossen und das Grosse zum Ganzen" (F.W. 1977) Das Objekt wird in diesem Sinne langsam Stück für Stück aufgebaut, zusammen gefügt zu einem stabilen Ganzen. Im Ergebnis wirkt dieses dennoch leicht und spielerisch, wie ein Form gewordener Gedanke, wie eine lyrische Beschreibung einer leichten Bewegung, einer schlichten Geste oder wie eine musikalische Erinnerung.
Das ist das Besondere: Friederich Werthmann folgt sehr wohl einem Konzept, einem concetto wie er sagt, aber es ist kein konstruierendes Kalkül, keine rein formale Überlegung. Die Konstruktion ist nie Selbstzweck oder Demonstration physikalischer oder statischer Extreme, sondern sie ist stets das stille Instrumentarium, das kaum sichtbarenGerüst für das Zusammenfügen vom Kleinen zum Ganzen, zur Formung als Entelechie, Kugel, Sphäre, Struktur. In diesen Skulpturen formen sich Gedanken, die Titel der Arbeiten sagen das mehr oder weniger verschlüsselt. Friederich Werthmann ist Poet und Konstrukteur zugleich, ihm gelingt geradezu spielerisch das Zusammenführen von lyrischer Idee, dynamischen Strukturen und stabiler Form.
Seine plastischen Kompositionen sieht Werthmann durchaus parallel zur Musik, die Titel seiner informellen Arbeiten der frühen Jahre verdeutlichen diesen Bezug, z.B. Brioso oder Toccata. Die Arbeit Opus 111 von 1959 bezieht sich auf die letzte Klaviersonate Nr. 32 von Beethoven.
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